Mein Leben mit Lipödem – von der Couchpotato zur Triathletin
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Weit verbreitet, aber oft verwechselt
Rund 3,8 Millionen Menschen und geschätzt 10 Prozent aller Frauen in Deutschland leiden an einem Lipödem. Außerdem kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da viele Betroffene die Symptome zunächst als Folge von ungesunder Ernährung und zu wenig Bewegung missdeuten. Auch Vanessa Reins (@rundundsportlich) ist von der chronischen Fettverteilungsstörung betroffen. Ihre Diagnose lautete Adipositas und Lipödem – zwei unterschiedliche Krankheiten, die nicht zusammen auftreten müssen, es aber können. Seit Vanessa den Triathlon für sich entdeckt hat, hat sie nicht nur 32 Kilogramm abgenommen, auch sonst hat sich in ihrem Leben vieles verändert. Dies ist Vanessas Geschichte:
Wie der Sport in mein Leben kam
Ohne dass ich es geahnt hätte, begann sich 2020 für mich alles zum Guten zu wandeln. Corona hatte die Welt fest im Griff. Mein Mann und ich sind an jenem Tag zusammen Fahrradgefahren. Zuvor hatte ich wenig Sport gemacht, denn echte Begeisterung kam bei mir dabei nie auf.
Doch diesmal war es anders.
Bald fuhr ich dreimal die Woche 20 Kilometer mit dem Rad. Was eher zufällig begonnen hatte, entwickelte sich schnell zu einer echten Leidenschaft. Hätte mir damals jedoch jemand gesagt, dass ich fünf Jahre später ebenfalls Triathletin sein würde – ich hätte ihn ausgelacht.
Doch genau so ist es. Ich trainiere heute acht bis zehn Stunden pro Woche und habe bereits an mehreren Wettkämpfen teilgenommen.
Ein Zufall brachte die Wahrheit ans Licht
Die Diagnose „Lipödem“ hatte ich bereits 2014 erhalten, im Alter von 25 Jahren. Es war reiner Zufall. Eine Freundin erzählte mir von einer Arbeitskollegin, die unter dieser Erkrankung litt. Ich googelte daraufhin Bilder dazu – und vermutete sofort sehr stark, dass auch ich diese Krankheit habe.
Natürlich ließ ich meinen Verdacht umgehend ärztlich abklären und suchte bald darauf einen Phlebologen (Facharzt für Venenheilkunde) auf (zur Info: Wenn du vermutest, unter einer chronischen Fettverteilungsstörung zu leiden, kannst du auch zu einem Gefäßspezialisten oder einen Lymphologen gehen). Er bestätigte, was ich instinktiv gespürt hatte.
Einerseits war ich erleichtert, weil mein Problem nun einen Namen hatte, andererseits auch enttäuscht. Jahrelang war meine Erkrankung von Ärzten als Adipositas (eine Ernährungs- und Stoffwechselstörung, die durch starkes Übergewicht gekennzeichnet ist) fehlgedeutet worden. Tatsächlich litt ich, wie ich nun erfuhr, an einer Kombination aus Lipödem und Adipositas, eine Kombination, die offenbar gar nicht so selten vorkommt. Beides sind unterschiedliche Erkrankungen, die jedoch häufig verwechselt werden, was für Betroffene zu psychischen Problemen und tiefer Verzweiflung führen kann.
Eine Unterscheidungshilfe
Es handelt sich um unterschiedliche Erkrankungen.
Unter Adipositas wird eine Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung verstanden. Sie geht mit übermäßigen Fettansammlungen am ganzen Körper einher.
Ein Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung (eine symmetrische Vermehrung des Unterhautfettgewebes), die in der Regel bestimmte Bereiche des Körpers betrifft – meist Arme, Po und Beine. Ein Lipödem geht häufig einher mit Schmerzen, Druckempfindlichkeit und starker Neigung zu blauen Flecken.
Adipositas ist keine Ursache für ein Lipödem, kann dessen Symptome aber verstärken.
Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen – das wurde zu einer Art Initialzündung für mich
Vor meiner Lipödem-Diagnose hatte ich bereits unzählige Male abzunehmen versucht, doch wirklich gelungen war es mir nie. Schon gar nicht dauerhaft. Frustration, Selbstzweifel und Selbstanklagen waren die Folge.
Jahrelang hatte ich meinen Körper unter schwarzer Kleidung versteckt. Bloß nicht im Mittelpunkt stehen! In Gesellschaft verhielt ich mit defensiv, zurückhaltend und möglichst unauffällig, denn ich schämte mich für meinen Körper, der dem gängigen Schönheitsideal in meinen Augen so gar nicht entsprach.
Dazu sollte ich erwähnen: Ich wog damals stolze 32 Kilogramm mehr als heute!
Zeitgleich mit der Diagnose „Lipödem“ teilte mir mein damaliger Arzt mit, abnehmen könne ich mit dieser Erkrankung nicht, ich brauche es also gar nicht erst zu versuchen. Und wozu auch? Schön aussehen werde mein Körper ohnehin nie – Was für eine Unverschämtheit. Und falsch noch dazu, wie ich inzwischen bewiesen habe!
32 Kilo habe ich abgenommen – und halte mein Gewicht nun schon seit 2022!
Es stimmt: Die Fettverteilungsstörung kann den Abnehmprozess erschweren, aber mit gesunder Ernährung und Sport, können auch Menschen mit Lipödem durchaus an Gewicht verlieren. Die Lipödem-Fettzellen an den betroffenen Stellen verschwinden zwar nicht, dennoch kann der Rest des Körpers schlanker werden, die Proportionen verändern sich. Das ist mir gelungen. Außerdem habe ich meine Adipositas reduziert.
Warum Sport bei Lipödem so wichtig ist
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Sport mit Lipödem nicht nur möglich ist, sondern regelrecht befreiend wirken kann. Durch mein regelmäßiges Training habe ich inzwischen Muskelmasse aufgebaut, was die Durchblutung meines Körpers verbessert hat. Außerdem trage ich im Gegensatz zu früher eine medizinische Kompressionsversorgung. All das hat zur Folge, dass meine Schmerzen weniger geworden sind.
Heute zeige ich mich im Bikini und trage meine Kompression dabei offen und sichtbar. Was für eine Reise – von der zurückhaltenden Frau in schwarzer Kleidung, die sich für ihre Andersartigkeit schämte, hin zur selbstbewussten Triathletin!
Was ich früher versteckt habe, integriere ich heute bewusst in meine Outfits. Kompression ist für mich medizinisches Hilfsmittel UND Fashion-Statement zugleich geworden.
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Gut zu wissen
Sowohl Sport als auch Kompression sind Teil der Therapie bei Lipödem. Sie fördern die Durchblutung, lindern Beschwerden und steigern das Wohlbefinden.
Gelenkschonende Ausdauersportarten wie etwa Radfahren und Schwimmen sind besonders geeignet. Sie stärken die Muskulatur und unterstützen den Lymphfluss.
Kompression fördert ebenfalls den Lymphabfluss. Durch gezielten Druck werden Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe und Schwellungen reduziert. Häufig mit einem Lipödem einhergehende Beschwerden wie Spannungsgefühle und Schmerzen werden verringert.
Leben mit Kompressionsstrümpfen
Mittlerweile sehe ich mich selbst als Kämpferin für mehr Aufklärung in Sachen Lipödem. Es ist erschütternd, wie wenig die Krankheit noch immer im Bewusstsein der Gesellschaft – sogar vieler Ärzte – ist und wie oft einem statt Unterstützung Vorurteile und Fehldiagnosen begegnen. Das muss sich ändern!
Auch deshalb trage ich meine Kompressionskleidung so oft es geht sichtbar. Denn – und davon bin ich überzeugt: Je öfter die Leute sehen, dass es so etwas gibt, umso mehr gewöhnen sie sich an den Anblick und wollen im Zweifel mehr erfahren. Vielleicht wird das Tragen von Kompressionskleidung auf diese Weise irgendwann genauso selbstverständlich, wie das Tragen einer Brille. Das wäre toll!
Was andere denken, interessiert mich nicht mehr
„Wie hältst du das bei 40 Grad im Sommer aus?“ – Diese Frage kann ich einfach nicht mehr hören. Moderne Materialien mit kühlenden Eigenschaften machen das Tragen von Kompressionskleidung längst auch bei Hitze erträglich. Außerdem gehört eine spezielle Pflege zu meiner täglichen Routine, um trockener, geröteter Haut oder gar Entzündungen vorzubeugen. Das funktioniert alles sehr gut.
Glücklicherweise bin ich mittlerweile so sehr bei mir angekommen und so ausgeglichen, dass es mich nicht mehr interessiert, was andere denken. Diese Gelassenheit kam mit dem Sport und der Akzeptanz meiner eigenen Erkrankung.
Dabei hat mir auch die Liebe meines Partners sehr geholfen. Er ist seit zwölf Jahren an meiner Seite, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt. Kürzlich fragte ich ihn: „Hat es irgendwann in dieser Zeit einen Moment gegeben, in dem ich unattraktiv für dich war?“ – „Nein, den gab es nie!“, lautete seine Antwort. Das hat mich tief berührt.
Meine Botschaft an alle, denen es geht wie mir
All jenen, die ebenfalls unter einem Lipödem leiden, möchte ich sagen: Ihr seid nicht allein! Und eines ist sicher: Auch mit dieser Erkrankung ist es möglich, ein erfülltes, sportliches und selbstbewusstes Leben zu führen. Dafür bin ich das beste Beispiel!
Zwar hat sich in den letzten Jahren schon viel verändert. Es gibt mehr Diversität in der Werbung und mehr Akzeptanz für unterschiedliche Körperformen. Trotzdem reicht es noch nicht aus. Denn Vorurteile halten sich leider meist hartnäckig. Oft sind es nicht die Krankheiten selbst, die uns beeinträchtigen, sondern viel mehr die gesellschaftlichen Normen sowie Vorstellungen anderer, wie ein Körper auszusehen hat. Dagegen kämpfe ich, indem ich meine Kompressionskleidung zu einem selbstbewussten Statement mache.
Ich kann mir vieles vorstellen
Meine Erkrankung hat mir gezeigt, dass meist viel mehr möglich ist, als andere denken oder behaupten. Und ich habe gelernt: Grenzen existieren oft nur in unseren Köpfen. Warum also nicht einfach ein bisschen träumen? Auch scheinbar verrückte Ideen können inspirierend sein. Wenn man mich beispielsweise fragen würde, welche Erfindung ich mir für die Zukunft wünschen würde, so fiele mir gleich etwas ein – Kompressionsstrümpfe, die auf Knopfdruck enger werden, sobald akute Schmerzen auftreten.
Das mag utopisch klingen, doch für mich spielt das keine Rolle. Es ist wichtig, Visionen zu haben. Die Entwicklung geht immer weiter. Und bis es irgendwann vielleicht tatsächlich so weit ist, bleibe ich eben bei meiner bewährten Strategie: Aufklärung durch Sichtbarkeit.
Mode als Therapie – ich habe noch einiges vor!
Ich trage meine Kompression täglich – nicht nur als medizinisches Hilfsmittel, sondern auch als Fashion-Statement. Ich kombiniere sie wie Schmuck oder Accessoires zu meinen Outfits. Das hilft mir, mich und meinen eigenen Stil auszudrücken und schenkt mir Lebensfreude.
Was Ende 2023 als Hobby begonnen hat, ist inzwischen zu einer Geschäftsidee geworden. Zusammen mit meiner besten Freundin betreibe ich einen Onlineshop für Mode in den Größen 32 bis 54 (www.anotter.shop). Die Kleidung, die wir anbieten, besteht aus tollen Stoffen, die sich super tragen lassen – sowohl im Sommer wie im Winter und auch mit oder ohne Kompression.
Außerdem werden wir am 30. August 2025 einen Concept Store eröffnen, wo wir neben Mode noch weitere Dinge für die Schönheit anbieten, wie etwa Massagen und Kosmetikbehandlungen. Jeder hat das Recht, sich in seiner Haut wohlzufühlen – und Schönheit hat zum Glück viele Gesichter!
Wir bei joviva haben es uns zur Aufgabe gemacht, Verständnis für körperliche Einschränkungen zu schaffen. Wir möchten Alltagshelden und Mutmachern die Chance geben, ihre Geschichte zu teilen und außerdem dazu beitragen, aufzuklären und Versorgungslücken zu schließen.
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