BewegungErfahrungsbericht

Hämophilie – von Geburt an chronisch krank

Karin Pütz
Karin Pütz10.7.2025 • Lesedauer: 6 Min.
Hämophilie – von Geburt an chronisch krank

Hämophilie: Ein Leben geprägt von Vorsicht

Wenn bereits in der Kindheit eine chronische Krankheit diagnostiziert wird, so kann dies sehr belastend sein. Erst recht, wenn bei jeder noch so kleinen Verletzung die Gefahr besteht, zu verbluten. Influencer Alexander Heise (25 Jahre alt) hat das nicht nur selbst erlebt, sondern auch seinen ganz persönlichen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen und ein aktives, erfülltes Leben zu führen. Neue medizinische Forschung und Sport haben ihm dabei geholfen. Das ist seine Geschichte:

Wenn Blutgerinnung zur täglichen Herausforderung wird

Wenn Alexander heute auf seine Kindheit zurückblickt, erinnert er sich an unzählige blaue Flecken, die scheinbar aus dem Nichts kamen. Seine Eltern machten sich Sorgen, aber zunächst konnte ihnen niemand erklären, warum ihr Sohn von Geburt an so anders war als andere Kinder. Es dauerte anderthalb Jahre, bis sie die Antwort erhielten – eine Antwort, die Alexanders Leben von nun an bestimmte. Bei sich zu Hause, bei einem eigentlich harmlosen Sturz, zog sich Alexander eine Verletzung am Zahnfleisch zu. Doch die Wunde hörte nicht auf zu bluten. Nach zahlreichen Untersuchungen stellten die Ärzte schließlich fest: Alexanders Blut fehlt der Gerinnungsfaktor VIII. Er leidet an Hämophilie A.

Daten und Fakten

Ein Gendefekt mit weitreichenden Folgen
  • Hämophilie, auch Bluterkrankheit genannt, ist eine Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Das Blut aus Wunden gerinnt nicht oder nur langsam. Häufig kommt es auch zu spontanen Blutungen, die ohne sichtbare Wunden auftreten. Die Krankheit tritt hauptsächlich bei Männern auf.

  • Es wird zwischen in Hämophilie A und Hämophilie B unterschieden. Bei der Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII. Bei der Hämophilie B fehlt der Gerinnungsfaktor IX. Hämophilie A ist deutlich häufiger als Hämophilie B.

  • Die Hämophilie kann in drei unterschiedlichen Schweregraden auftreten – schwer, mittelschwer und mild. Am häufigsten kommt die schwere Form der Hämophilie vor.

  • Wusstest du schon, dass du dich jederzeit in einem Sanitätshaus in deiner Nähe zu deinen Beschwerden beraten lassen kannst?

Ein Leben voller Einschränkungen

Für Alexander und seine Familie war die Diagnose zunächst ein Schock. Von der Krankheit hatten sie noch nie gehört. Nun mussten sie lernen, damit umzugehen. Jede Verletzung galt es ernst zu nehmen und bei Blutungen sofort zu handeln.

Die ersten Jahre waren geprägt von Ängsten. Daraus resultierte eine große Vorsicht. Toben auf dem Spielplatz, Fußball spielen, Klettern – all das war mit Risiken verbunden. Alexanders Eltern erlaubten es ihm zwar, hatten aber stets Angst, ihrem Sohn könne etwas passieren. Zwar nahm er in der Grundschule noch am Schulsport teil, in der weiterführenden Schule war es damit jedoch vorbei, weil er zu dieser Zeit schon Probleme mit den Sprunggelenken hatte. Er litt an einer sogenannten hämophilen Arthropathie, einer Gelenkerkrankung, die sich als Folge von Gelenkeinblutungen entwickelt. Um Alexanders Gelenke zu entlasten, so entschied eine Ärztin, sollte er am Schulsport besser nicht mehr teilnehmen.

Einsamkeit, Schmerzen und körperliche Probleme

Diese Entscheidung prägte Alexander mehr, als seinen Eltern oder anderen Bezugspersonen in seinem Umfeld bewusst war. Denn Sport war für ihn nicht nur körperliche Betätigung, sondern bedeutete auch Kontakt mit Gleichaltrigen. Ohne diese Art des sozialen Anschlusses und ohne die Möglichkeit, Sport zu treiben, litt Alexanders Selbstvertrauen. Er begann an sich zu zweifeln.

Der erste Schritt zur Veränderung

Der Wendepunkt kam, als Alexander 13 Jahre alt war. Mit Hilfe eines Homecare-Services überwand er seine Angst vor Spritzen und lernte, sich die möglicherweise lebensrettenden Injektionen selbstständig zu geben, bei denen dem Körper von außen regelmäßig der fehlende Gerinnungsfaktor in Form von Konzentraten zugeführt wird.

Für Alexander war dies ein extremer Gewinn an Freiheit, der sein Leben grundlegend verändert hat. Endlich war er nicht mehr auf die Hilfe anderer angewiesen.

Dennoch blieb für lange Zeit das Gefühl, anders zu sein als andere – schwächer und weniger belastbar.

Wichtiger Hinweis

Keine Experimente

Die Gabe von Gerinnungsmedikamenten sollte stets eng mit dem behandelnden Arzt im Hämophiliezentrum abgesprochen werden.

Neue Erkenntnisse

Erst als Erwachsener begann Alexander, diese Überzeugungen zu hinterfragen. Zudem kamen neue Medikamente auf den Markt, immer mehr wurde über Hämophilie bekannt.

Die neuen Erkenntnisse machten ihn zuversichtlich. Alexander hörte plötzlich von anderen Betroffenen, die Sport trieben (einige sogar Leistungssport) und ganz normal lebten, ohne besonders vorsichtig zu sein.

Tatsächlich ist der heutige Stand der Forschung, dass Sport für Menschen mit Hämophilie genauso wichtig ist wie für gesunde Menschen – sowohl für den Körper als auch für die Psyche. Eine starke Muskulatur schützt die Gelenke und kann Blutungen sogar vorbeugen. Dennoch ist es natürlich sinnvoll, auf Sportarten zu verzichten, bei denen das Sturz- und Verletzungsrisiko hoch ist (wie zum Beispiel bei Eishockey, Boxen und Karate).

Gut zu wissen

Nicht heilbar, aber kontrollierbar

Früher ging Hämophilie oft mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen einher. Mittlerweile lässt sich die Blutgerinnung durch Medikamente gut kontrollieren. Heilbar ist die Krankheit jedoch nicht.

Endlich „on the move“

Durch die neuen Erkenntnisse ermutigt, begann Alexander sich mehr zu bewegen. Er startete mit Physiotherapie. Dort lernte er Übungen, die seine Gelenke mobilisierten und seine Muskulatur stärkten. Alexander fand Gefallen daran – und wollte mehr! Er meldete sich in einem Fitnessstudio an, begann bald darauf außerdem mit Fahrradfahren. Zunächst zaghaft, dann mit wachsender Begeisterung, entdeckte er, was sein Körper leisten konnte.

Das Bemerkenswerteste kam jedoch erst noch. Alexander entdeckte seine Leidenschaft fürs Tanzen, ganz besonders für lateinamerikanischen Turniertanz. Was mit einer spontanen Idee begann, entwickelte sich rasch zu einer echten Passion. Der Tanz gab ihm zurück, was er lange verloren geglaubt hatte: Freude an der Bewegung, Selbstvertrauen und das Gefühl, etwas Besonderes zu können.

Aber auch die Auswirkungen auf seine Gesundheit waren beeindruckend. Hatte sein Fußgelenk früher oft bereits geschmerzt, wenn er eine Stunde durch die Stadt gelaufen war, so konnte er bald problemlos Wanderungen von vier bis fünf Stunden machen.

Einer Krankheit ihre Macht genommen

Alexanders Geschichte zeigt, wie sich das Verständnis für chronische Krankheiten wandeln kann. Was eine Generation als unveränderliches Schicksal hinnahm, kann die nächste als überwindbare Herausforderung erleben. Alexander engagiert sich heute bei der IGH (Interessengemeinschaft Hämophiler e.V.). Er teilt seine Erfahrungen mit anderen Betroffenen und ermutigt sie, ihre eigenen Grenzen zu testen. Seine Erfahrung zeigt, dass es nie zu spät ist, festgefahrene Überzeugungen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.

Die Gelenkarthrose in seinem Sprunggelenk ist geblieben. Sie erinnert ihn täglich an die Jahre, in denen seine Hämophilie nicht optimal behandelt wurde. Doch statt sie als Einschränkung zu verstehen, hat Alexander gelernt, sie als Teil seiner Geschichte zu akzeptieren. Sie ist ZEUGNIS seiner Reise, nicht deren Ende. Hämophilie wird immer ein Teil von Alexanders Leben bleiben, aber die Krankheit definiert nicht, wer er ist oder was er tun kann. Das hat Alexander bewiesen.

 

Wir bei joviva haben es uns zur Aufgabe gemacht, Verständnis für körperliche Einschränkungen zu schaffen. Wir möchten Alltagshelden und Mutmachern die Chance geben, ihre Geschichte zu teilen und außerdem dazu beitragen, aufzuklären und Versorgungslücken zu schließen.

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