Mein Alltag zwischen Blaulicht, Muttersein und MS
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Ich lasse mich nicht aufhalten – auch nicht von meinen Krankheiten!
Influencerin Anika Schreiber (@notfallsanitaeterin_mit_ms) steckte mitten in der Ausbildung zur Notfallsanitäterin, als sie die MS-Diagnose 2020 erhielt – eine von mehreren chronischen Erkrankungen, die bei ihr im Laufe der Zeit festgestellt wurden. Asthma, Migräne und Neurodermitis gehören ebenfalls dazu. Trotzdem ist es Anika gelungen, ihre Ausbildung zu beenden. Sie arbeitet inzwischen seit mehreren Jahren in ihrem Traumberuf und ist Mutter eines Sohnes. Anika ist eine Kämpferin. „Ich bin kein Mensch, der schnell aufgibt“, sagt sie über sich selbst. Sie hat mir ihre Geschichte erzählt und darüber gesprochen, was sie sich für die Zukunft wünscht.
Schon früh gehörte Krankheit zu meinem Leben
Alles begann bereits in meiner Kindheit mit der Neurodermitis, die ich wahrscheinlich von meiner Mutter geerbt habe. Aber das war noch das kleinste Problem. In der weiterführenden Schule plagten mich ständige Kopfschmerzen und Schwindelattacken. Alle dachten, diese Beschwerden seien eine Folge der Pubertät. Zum Glück schaute irgendwann ein Arzt genauer hin und entdeckte eine Zyste in meinem Kopf. Sie war so groß, dass sie mein Kleinhirn beinahe völlig zusammengedrückte!
Die Operation war riskant, verlief aber zum Glück erfolgreich. Wenn heute ein MRT bei mir gemacht wird, sieht es so aus, als wäre nie etwas gewesen.
All dies war jedoch erst der Beginn meiner medizinischen Reise …
Ich nahm die Anzeichen nicht ernst
Eines Tages, ich hatte im Rahmen meiner Ausbildung Dienst auf der Rettungswache gehabt. Es hatte keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Doch als ich am Abend nach Hause kam, spürte ich ein ungewohntes Ziehen in meinem rechten Fuß. Ich dachte mir nichts weiter dabei, nahm an, ich sei bei irgendetwas unglücklich mit dem Fuß aufgekommen, ohne es wirklich zu bemerken. „Das wird schon wieder!“, dachte ich mir und ging schlafen.
Doch als ich am nächsten Morgen aufwachte, war der Fuß taub. Ich spürte rein gar nichts mehr und fand das zunächst sogar fast noch witzig. „Wie eine Superkraft – kein Schmerzempfinden!“, scherzte ich.
Wie gewohnt ging ich zur Arbeit.
Kurz vor Ende meines Dienstes erzählte ich dann meinem Praxisanleiter von dem Problem, denn inzwischen war mein ganzes Bein taub geworden. Er schickte mich sofort zur Notärztin, die feststellte, dass mein Blutdruck viel zu hoch war. – Dabei fühlte ich mich eigentlich entspannt!
Mit der Diagnose „Verdacht auf Schlaganfall“ wurde ich umgehend ins Krankenhaus geschickt.
Damit hatte ich nicht gerechnet! – Ich war 19 Jahre alt!
MS – erst nur ein Name, mit dem ich nichts verband
Knapp eine Woche lag ich im Krankenhaus. Täglich wurden zahlreiche Untersuchungen und neurologische Tests durchgeführt. Ein Schlaganfall konnte zum Glück schnell ausgeschlossen werden. Dann musste ich mich einer Lumbalpunktion (Nervenwasserentnahme) unterziehen. Da es bis zu deren Ergebnis eine Weile dauern würde, durfte ich das Krankenhaus verlassen und wieder arbeiten gehen.
In den folgenden Tagen schaute ich in meinen Pausen immer mal wieder im Krankenhaus vorbei. – Dann war das Ergebnis da. Die Diagnose lautete: Multiple Sklerose! Ich würde zeitnah wieder für eine Weile ins Krankenhaus müssen.
Ich war geschockt, denn eigentlich – das muss ich zugeben – hatte ich nicht angenommen, dass die Untersuchungen wirklich zu einem konkreten Befund führen würden. Da ich mit der Diagnose „Multiple Sklerose“ im ersten Moment jedoch gar nicht sonderlich viel anfangen konnte, verdrängte ich sie erstmal, um weiterzuarbeiten.
Woran du Multiple Sklerose erkennen kannst
Multiple Sklerose ist einer Erkrankung, die sich auf sehr unterschiedliche Weise äußern kann und in Schüben auftritt.
Folgende Symptome sind möglich:
Sehstörungen
Kribbeln, Taubheitsgefühl, Brennen oder Jucken in den Gliedmaßen, dem Rumpf oder dem Gesicht
Muskelschwäche, Muskelversteifungen (Spastik), Koordinationsstörungen
anhaltende, belastende Müdigkeit (Fatigue)
Blasen- und Darmfunktionsstörungen
Schmerzen
Kognitive Beeinträchtigungen (Konzentrations- und Gedächtnisprobleme)
Stimmungsschwankungen
Ich versuche stark zu sein
Neben meinen anderen chronischen Erkrankungen (Asthma, Migräne und Neurodermitis), habe ich nun also auch Multiple Sklerose. Doch ich lasse nicht zu, dass die Diagnosen mein Leben bestimmen. Das tue allein ich selbst!
Ja, ich weiß nicht, wie sich die Krankheit in Zukunft bei mir äußern wird. Doch niemand kann in die Zukunft blicken. Wir alle müssen mit der Ungewissheit leben, was das Leben noch für uns bereithält – an Schönem und auch an weniger Schönem. Deshalb versuche ich, den Augenblick zu genießen, im Hier und Jetzt zu leben. Ich tue mein Bestes, um zumindest nach außen hin stets positiv zu bleiben – nicht nur für andere, sondern auch für mich selbst. Mir gibt das Kraft und es motiviert mich.
Aber natürlich habe ich auch Momente, in denen es tief in mir drin ganz anders aussieht. Oft zeige ich das nicht, weil ich meine Mitmenschen nicht belasten möchte.
Meine Geschichte teile ich trotzdem auf Social Media, in erster Linie, um aufzuklären. Ich wünsche mir, dass Menschen mehr Verständnis entwickeln – nicht nur für meine Erkrankung, sondern auch dafür, dass JEDER mal Momente hat, in denen er nicht mehr kann – egal, ob er krank oder gesund ist.
Mehr Lebensqualität durch ein neues Medikament
Im Jahr 2021 wurde die Therapie vorbereitet, aber wegen schlechter Blutwerte fing ich erst 2022 damit an. Ich bekam alle sechs Monate eine Infusion, ähnlich einer Chemotherapie. Am Anfang hatte ich großen Respekt vor dieser neuen Therapie, doch ich habe auf mein Bauchgefühl gehört. Ich habe gespürt, dass diese Therapie für mich genau richtig sein würde. Die Aussicht, nicht mehr dreimal wöchentlich spritzen zu müssen und tägliche Nebenwirkungen zu ertragen, war aber auch wirklich verlockend.
Tatsächlich war es wie erhofft: Das neue Medikament wirkte wunderbar bei mir. Alle Symptome verschwanden komplett! Ich war überglücklich!
Als ich 2023 schwanger wurde, musste ich mit der Therapie jedoch pausieren, da es zu dieser Zeit für mein Medikament keine Freigabe gab. Auch während meiner Stillzeit war dies zunächst so (mittlerweile gibt es die Freigabe, deshalb fange ich nun wieder mit der Therapie an).
Die Folge des Aussetzens war, dass die Symptome langsam zurückkehrten – vor allem die drei äußeren Finger meiner rechten Hand waren und sind oft taub. Bei Wärme ist es besonders schlimm.
Alleinerziehend mit MS – ein Balanceakt
Als alleinerziehende Mutter mit MS stehe ich täglich vor besonderen Herausforderungen. Ohne meine Familie, besonders ohne meine Mutter, würde ich das alles gar nicht schaffen. Wir sind uns sehr nah. In den letzten zwei Jahren mussten wir leider mehrere schwere Verluste erleben. Meine Tante starb mit 49 Jahren an einer Lungenembolie, kurz darauf mein Opa an einem Schlaganfall. Meine Mutter und mich hat das noch enger zusammengeschweißt. Die Familie ist für mich das Wichtigste.
Die Geburt meines Sohnes hat vieles in meinem Leben verändert – auch in Bezug auf meine Krankheit. Früher dachte ich: „Okay, wenn ein Schub kommt, nehme ich das eben hin.“ Jetzt beobachte ich fast täglich jedes Symptom und frage mich: „Könnte das die Ankündigung eines neuen Schubes sein?“ Diese Angst ist präsenter geworden, seitdem mein Kleiner auf der Welt ist.
Vorsorge für die Zukunft
Um auf alle Eventualitäten möglichst gut vorbereitet zu sein, habe ich vorgesorgt. Als ich die Diagnose MS bekam, war meine größte Angst, meinen Job nicht weitermachen zu können. Deshalb studiere ich jetzt nebenberuflich Medizinpädagogik und unterrichte bereits als Honorardozentin an Berufsschulen. Das ist mein Plan B – falls ich irgendwann nicht mehr im Schichtdienst arbeiten kann.
Was mir Kraft gibt
Die Reaktionen, die ich auf meinem Social Media Account von anderen bekomme, helfen mir sehr, den Mut nicht zu verlieren. Private Nachrichten von Menschen, die ihre Diagnose frisch erhalten haben und denen meine Videos helfen – das gibt mir viel zurück. Es zeigt mir aber auch, dass ein riesengroßer Bedarf an Mitgefühl, an Austausch, an Ansprechpartnern und an Anlaufstellen besteht, gerade bei jungen Menschen. Viele wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. Für sie ist Social Media eine wichtige Möglichkeit.
Meine Botschaft an andere Betroffene
Ich habe schon viele Höhen und Tiefen durchlebt. Doch aufgeben ist keine Option, egal wie schlecht eine Phase gerade ist – das möchte ich anderen Betroffenen mitgeben. Versucht die Krankheit zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Wir sollten dankbar sein für jeden Tag, für jeden Moment, den wir erleben dürfen und an dem es uns noch einigermaßen gut geht. Die Krankheit erinnert uns daran, dass uns – UNS ALLEN – nur eine begrenzte Zeit geschenkt ist. Die sollten wir nutzen für positive Dinge wie Familie, Freundschaft und Freude.
Wir bei joviva haben es uns zur Aufgabe gemacht, Verständnis für körperliche Einschränkungen zu schaffen. Wir möchten Alltagshelden und Mutmachern die Chance geben, ihre Geschichte zu teilen und außerdem dazu beitragen, aufzuklären und Versorgungslücken zu schließen.
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Social Media hat mir geholfen
Erst als ich Feierabend hatte, habe ich mich dann ausführlich über die Erkrankung informiert. Und ich habe mich über Social Media mit anderen Betroffenen ausgetauscht. Das hat mir gutgetan, denn so fühlte ich mich mit meiner Diagnose nicht mehr so allein. Ich war froh, dass ich für das, was mit meinem Körper geschah, nun einen Namen hatte. Jetzt konnte ich konkret überlegen, welche Möglichkeiten es gab, mit der Erkrankung umzugehen. Natürlich habe ich mich auch gefragt, ob es unter diesen Voraussetzungen überhaupt Sinn macht, meine Ausbildung, die mir sehr am Herzen lag, weiterzuführen. Würde ich jemals in meinem Traumberuf arbeiten können?
Zum Glück ist es mir recht schnell gelungen, die Diagnose zu akzeptieren. Was auch immer auf mich zukommen würde – so genau weiß man das bei Multipler Sklerose nie (sie wird auch „Krankheit der 1000 Gesichter“ genannt) – ich war entschlossen, das Beste daraus zu machen.