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Leben mit Morbus Bechterew – Alles, was du wissen musst

Leben mit Morbus Bechterew – Alles, was du wissen musst

Aktualisiert am 13.01.2025 | 9 Min. Lesezeit
Geprüft von:Angelina Bzdun

Einleitung

Morbus Bechterew, auch bekannt als Spondylitis ankylosans, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis. Sie betrifft vor allem die Wirbelsäule und die Kreuz-Darmbein-Gelenke und kann zu schweren Bewegungseinschränkungen führen. In diesem Ratgeberartikel erklären wir dir die Symptome, die Ursachen und moderne Behandlungsmöglichkeiten, um besser mit der nicht heilbaren Bechterew-Krankheit zu leben.

Das Wichtigste in Kürze
  • Morbus Bechterew, auch Spondylitis ankylosans genannt, ist eine rheumatische chronisch-entzündliche Erkrankung, die vor allem die Wirbelsäule betrifft und zu Versteifungen sowie starken Schmerzen führen kann.

  • Der Morbus Bechterew kann bereits junge Menschen betreffen und verläuft in Schüben.

  • Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Dies umfasst regelmäßige Bewegung, Physiotherapie und Medikamente wie NSAR und Biologika.

  • Morbus Bechterew ist nicht heilbar. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um Schmerzen zu reduzieren und den Krankheitsverlauf auszubremsen.

Was ist Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew, auch als Spondylitis ankylosans oder ankylosierende Spondylitis bekannt, ist eine rheumatisch-entzündliche Krankheit, die vor allem die Kreuz-Darmbein-Gelenke und die Wirbelsäule betrifft und zu einer knöchernen Versteifung und starken Schmerzen führen kann. Sie gehört zu den sogenannten Spondyloarthritiden. Aber was genau ist Morbus Bechterew und wie kommt es dazu? Bei Morbus Bechterew entzündet sich besonders häufig die Verbindung zwischen Wirbelsäule und Becken. Diese Entzündungen können das Knochengewebe zerstören und dazu führen, dass sich Faserknorpeln an den Knochenrändern bilden. In der Folge können kleine Gelenke und Bänder der Wirbelsäule und des Beckens verknöchern. Die Beweglichkeit des Gelenks ist schmerzhaft eingeschränkt. Im schlimmsten Fall versteift die Wirbelsäule vollständig.

Was verursacht Morbus Bechterew?

Die genauen Ursachen sind bis heute nicht bekannt. Da es manchmal zu einem gehäuften Auftreten innerhalb einer Familie kommt, ist eine Vererbung wahrscheinlich. Über 90 Prozent der Morbus-Bechterew-Patienten sind zudem Träger eines Proteins. Das sogenannte HLA-B27 sitzt auf bestimmten Immunzellen, die für die Abwehr von Krankheitserregern zuständig sind. Experten gehen deshalb davon aus, dass es sich bei der Bechterewschen Krankheit um eine Fehlfunktion des Immunsystems handelt. Zur erblichen Vorbelastung muss nach heutigem wissenschaftlichem Stand ein weiterer Auslöser für die Krankheitsentstehung hinzukommen. Auffallend ist, dass dem Morbus Bechterew häufig eine Infektion z.B. der Atem- oder Harnwege vorausgeht. Beim Morbus Bechterew werden auch psychische Ursachen, Stress und körperliche Belastungen diskutiert, die am Ausbruch der Erkrankung mitbeteiligt sind.   

Erste Anzeichen und allgemeine Symptome von Morbus Bechterew

Ein M. Bechterew entwickelt sich schleichend über Jahre und Jahrzehnte. Die Krankheit verläuft in Phasen, wobei sich entzündliche Schübe mit Zeiten relativer Beschwerdefreiheit abwechseln.

Erste Anzeichen für einen Morbus Bechterew

  • Schmerzen im unteren Rücken, die bis in das Gesäß und Oberschenkel ausstrahlen können und bereits über drei Monate bestehen

  • Bei Bewegung lassen die Schmerzen nach, im Ruhezustand nicht.

  • Häufiges Aufwachen in der zweiten Nachthälfte durch Rückenschmerzen, nach dem Aufstehen sind der Rücken und die Gelenke steif, du benötigst über eine halbe Stunde Zeit, bevor du „in die Gänge“ kommst

  • Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Gewichtsverlust

  • Schmerzen an weiteren Körperteilen wie Knie, Schulter oder Ferse sind möglich

  • Sehnenreizungen, Sehnenansatzentzündungen und andere Sehnenerkrankungen

Morbus Bechterew: Weitere Symptome im Krankheitsverlauf

Große Gelenke im Körper können sich chronisch entzünden, was zu weiteren Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt. Vor allem chronische Entzündungsprozesse in der Wirbelsäule vermindern die Beweglichkeit der Zwischenwirbelgelenke und es kommt zur Verknöcherung und Versteifung der Wirbelsäule. Nach Monaten bis mehreren Jahren verändert sich bei einem Morbus Bechterew die Körperhaltung. Die Lendenwirbelsäule flacht ab, während sich die Brustwirbelsäule krümmt und den für Bechterew typischen Buckel bildet. Der Körper versucht die Haltung auszugleichen, indem sich der Hals streckt und sich die Hüft- und Kniegelenke beugen. Der Blick des Patienten ist meist zum Boden gerichtet, da durch die verkrümmte Wirbelsäule das Geradeausschauen erschwert ist. 

Die fortschreitende Erkrankung und die damit verbundene Körperhaltung wirkt sich auch auf die Beweglichkeit der Gelenke aus. Manchmal lassen sich die großen Gelenke an Hüfte, Knie, Schulter oder Ellenbogen nur noch eingeschränkt bewegen.

Morbus Bechterew: Mögliche Begleiterkrankungen

Bei etwa 20 Prozent aller Betroffenen treten weitere Bechterew-Symptome an unterschiedlichen Stellen im Körper auf. Es kann zu chronischen Entzündungen in den Augen und anderen Organen kommen.

  • Augen: Entzündung der Regenbogenhaut des Auges (Iritis), was zu Augenschmerzen, Rötungen und Lichtempfindlichkeit führt

  • Herz: Die Folge können Herzrhythmusstörungen sein.

  • Nieren: Dies kann zu einer Nierenschwäche führen.

  • Blase: Es besteht der Verdacht eines Zusammenhangs des Morbus Bechterew mit Blasenproblemen und Harnwegserkrankungen.

  • Darm: Ebenso wird bei Morbus Bechterew ein Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa vermutet. Dann gesellen sich Durchfall und Darmprobleme als weitere Symptome des Morbus Bechterew hinzu.

  • Haut: Beim Morbus Bechterew können auch Hautveränderungen vorkommen. Die Akne inversa soll bei Morbus Bechterew häufiger auftreten als bei der Normalbevölkerung.

Morbus Bechterew: Symptome bei Frauen

Lange Zeit galt der Morbus Bechterew hauptsächlich als Männerkrankheit. Jetzt weiß man, dass das so nicht stimmt. Frauen sind genauso betroffen wie Männer. Allerdings zeigt sich ein Morbus Bechterew mit anderen Symptomen. Bei Frauen verläuft der Krankheitsfortschritt mit Versteifungen langsamer, wodurch die Erkrankung öfter übersehen wird.

Diagnose von Morbus Bechterew: So wird die Krankheit erkannt

Meist sind es Schmerzen im Lendenwirbelbereich, weshalb Betroffene zum ersten Mal einen Arzt aufsuchen.

Anamnese

Der Arzt befragt dich nach Art und Dauer der Schmerzen und macht sich auf Basis deiner Angaben einen ersten Eindruck. Deshalb ist es wichtig, dass du deine Beschwerden ganz genau und detailliert beschreibst. Besteht ein Verdacht auf Morbus Bechterew, nutzt der Arzt häufig standardisierte Fragebögen, die helfen, die körperlichen Einschränkungen und die Schwere der Erkrankung einzugrenzen. 

Über folgende Leitfragen kannst du dir im Vorfeld Gedanken machen:

  • Wie lange plagt dich der Rückenschmerz?

  • In welchem Alter traten die Schmerzen erstmals auf?

  • Begannen die Schmerzen schleichend und verschlechterten sich mit den Jahren?

  • Bessern sich deine Schmerzen, wenn du dich bewegst, aber nicht in Ruhe?

  • Wachst du in der zweiten Nachthälfte wegen Schmerzen auf?

  • Leidest du unter Morgensteifigkeit, die mehr als eine halbe Stunde anhält?

  • Hast du wechselnde Schmerzen im Gesäß?

  • Leidest du unter weiteren Symptomen, die auf den ersten Blick nichts mit deinen Rückenschmerzen zu tun haben? Zum Beispiel mit den Augen oder anderen inneren Organen?

Blutuntersuchung

Im Labor werden die Entzündungswerte im Blut bestimmt. Ebenso erfolgt eine Testung auf das HLA-B27 Protein.

Klinische Untersuchung und Tests

Der Arzt überprüft deine Wirbelsäule auf Beweglichkeit. Zudem stellt er fest, welche Bewegungen mit Schmerzen verbunden sind. Dabei kommen bei Verdacht auf Morbus Bechterew folgende Tests zur Anwendung:

  • Mennel-Test: In Bauchlage überprüft der Arzt, ob ein schmerzfreies Anheben eines Beines möglich ist. Dabei fixiert er mit einer Hand das Kreuzbein.

  • Schober- und Ott-Zeichen: Der Arzt überprüft deine Beweglichkeit, indem du dich aus dem Stand nach vorne beugen musst, um mit den Fingerspitzen deine Zehen zu berühren.

Röntgen und MRT

Mit den bildgebenden Verfahren lassen sich Knochenkrankheiten wie der Morbus Bechterew sehr gut beurteilen. Dein Arzt kann mithilfe der Aufnahmen erkennen, ob Knochengewebe zerstört ist oder ob sich bereits neues Knochengewebe bildet. Das MRT bietet gegenüber einer Röntgenaufnahme Vorteile. Im MRT sind entzündliche Veränderungen am Kreuz-Darmbein-Gelenk bereits im Frühstadium der Erkrankung sichtbar, während auf einem Röntgenbild noch keine krankhaften Veränderungen zu erkennen sind.

Behandlungsmöglichkeiten und Therapien

Du hast von deinem Arzt eine Morbus-Bechterew-Diagnose erhalten? Dann sollte die Morbus-Bechterew-Therapie schnell starten, um Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung auszubremsen. Die Therapie wird individuell an den Patienten angepasst und basiert auf zwei Säulen. Frage deinen behandelnden Arzt nach Behandlungsoptionen für dein Krankheitsstadium.

1. Bewegung

Mit regelmäßiger Bewegung kannst du den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Aktivitäten wie Spazierengehen, Gymnastik, Radfahren und Schwimmen tragen entscheidend dazu bei, deine Muskulatur zu stärken und das Aufrichten der Wirbelsäule zu unterstützen. Betroffene profitieren auch von Physiotherapie, Wärmeanwendungen, Massagen oder Dehnungsübungen. Sie helfen, die Beweglichkeit und eine gute Körperhaltung zu bewahren. Zusätzlich werden durch die therapeutische Begleitung der Krankheitsfortschritt ausgebremst und Schmerzen verringert.

2. Medikamente

Sie lindern die Symptome und reduzieren Entzündungen, Schmerzen und steife Gelenke. Dabei kommen je nach Schwere der Erkrankung folgende Wirkstoffe zum Einsatz:

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Sie hemmen die Entzündung und lindern die Schmerzen. Bei NSAR ist es wichtig, auf mögliche Nebenwirkungen zu achten – vor allem, wenn NSAR über einen längeren Zeitraum eingenommen werden müssen.

  • Kortikosteroide (Kortison): Bei einem akuten Bechterew-Schub kann eine Behandlung mit Kortison notwendig sein, welches ebenfalls nicht zu lange eingenommen werden sollte aufgrund starker Nebenwirkungen.

  • Immunmodulatoren: Wenn sich die Entzündungen im Körper ausbreiten und nicht nur die Wirbelsäule, sondern auch andere große Gelenke betroffen sind, verschreibt dir dein behandelnder Arzt eventuell einen Immunmodulator wie z.B. Sulfasalazin. Dieses Medikament wirkt entzündungshemmend und greift in die Immunreaktion des Körpers ein.

  • Biologika: In schweren Fällen kommen gentechnisch hergestellte Medikamente zum Einsatz, die gezielt in die Entzündungsprozesse eingreifen können. Die sogenannten TNF-Blocker hemmen den entzündungsfördernden Botenstoff TNF-alpha im Blut. Die Interleukin-Hemmer hemmen den Botenstoff Interleukin 17.

  • JAK-Inhibitoren: Sie unterbrechen den Signalweg der Entzündung direkt in den Zellen. Wegen Sicherheitsbedenken ist der Einsatz von JAK-Hemmern über die Europäische Arzneimittelagentur eingeschränkt empfohlen.

Wann ist eine Operation notwendig?

Sind die Hüftgelenke stark durch die chronischen Entzündungsprozesse in Mitleidenschaft gezogen, kann der operative Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks die Beweglichkeit verbessern. Leiden Betroffene stark unter der gekrümmten Haltung, kann eine Aufrichte-Operation helfen.

Leben mit Morbus Bechterew: Tipps und Unterstützung

Es lohnt sich, die Ernährung umzustellen: Weniger Fett aus rotem Fleisch zugunsten von Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Lein- und Rapsöl kann Entzündungen hemmen. Zudem ist eine fleischarme, pflanzenbasierte Kost mit viel Obst, Gemüse und fettreduzierten Milchprodukten empfehlenswert, um ein gesundes Körpergewicht zu halten. Übergewicht belastet die Wirbelsäule zusätzlich und erschwert eine aufrechte Haltung. Ebenso wichtig ist der Verzicht auf Nikotin, da Rauchen das Fortschreiten der Erkrankung beschleunigen kann.

Neben den körperlichen Aspekten bringt Morbus Bechterew auch seelische Belastungen mit sich. Psychologische Begleitung durch Schmerzbewältigungstechniken, Entspannungsmethoden und Meditation kann helfen, den krankheitsbedingten Stress zu mindern und die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Diese Ansätze können sogar den Bedarf an Medikamenten reduzieren.

Verlauf und Endstadium von Morbus Bechterew

Der Morbus Bechterew entwickelt sich über Jahre bis Jahrzehnte schleichend und verläuft in Schüben.

Frühstadium: mehrere Wochen bis zu etwa 3 Jahre

Im Frühstadium wissen viele Betroffene nichts von ihrer Erkrankung. Sie leiden unter den ersten Anzeichen wie tiefsitzende Kreuzschmerzen, die immer wieder in Schüben auftreten.

Manifestationsstadium: 10 bis 20 Jahre

Die Diagnose wird häufig erst gestellt, wenn die Erkrankung bereits Schäden an der Wirbelsäule angerichtet hat. Jetzt sind auch auf der Röntgenaufnahme Knochenveränderungen an den Kreuzbein-Darmbein-Gelenken erkennbar. Bewegungen werden dann immer schmerzhafter für dich. Viele Patienten haben den Eindruck, dass es ihnen mit jedem Schub schlechter geht.

Spätstadium: nach 20 Jahren

Beim Morbus Bechterew ist das Endstadium erreicht, wenn die Verknöcherung ihr Maximum erreicht hat und zum Stillstand gekommen ist. Es kommt zu einer kompletten Verformung und Versteifung der Wirbelsäule. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Bambusstabwirbelsäule. Auffallend ist eine vorgebeugte Haltung beim Gehen, wodurch der Blick meist zum Boden gerichtet ist. Mit einem Morbus Bechterew ist die Lebenserwartung gegenüber gesunden Menschen nicht reduziert.

Forschung und Zukunftsaussichten zu Morbus Bechterew

Forschungsziel ist, weitere Erkennungsmerkmale zu identifizieren, damit die Diagnose frühzeitig und korrekt gestellt werden kann – und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem noch keine bleibenden Schäden eingetreten sind. Geforscht wird auch an neuen Medikamenten und Behandlungsstrategien. Zudem werden in der Forschung auch Patientensituationen beleuchtet, in denen die Entzündungsprozesse zwar zurückgedrängt werden, die Schmerzen aber nicht verschwinden. In der Entwicklung ist auch die Bechterew-App „Axia“, die betroffene Patienten zu mehr Bewegung im Alltag anregen soll.

Fazit

Morbus Bechterew ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die zu erheblichen Einschränkungen der Beweglichkeit und zu Schmerzen führen kann. Dennoch gibt es zahlreiche effektive Behandlungsmöglichkeiten, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Regelmäßige Bewegung und eine medikamentöse Therapie sind die Grundsäulen der Therapie. Auch wenn Morbus Bechterew derzeit noch nicht heilbar ist, machen die kontinuierlichen Fortschritte in der Forschung Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten in der Zukunft.

Oft gefragt

Anja Lehner Ulshöfer
Anja Lehner-Ulshöfer
Medical Writerin
Autor

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Literatur und weiterführende Informationen